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„Chile depertó“ – „Chile ist aufgewacht“

Mit diesem Ruf ziehen seit knapp einer Woche Tausende Chilenen durch die Städte. Sie demonstrieren für ihre Zukunft. Die Situation ist extrem, der Präsident Sebastián Piñera wird zum Rücktritt aufgefordert, erst dann würden die Proteste aufhören. Seit Jahren wird in Chile demonstriert, doch seit letztem Freitag sind die Demonstrationen geprägt von Gewalt auf beiden Seiten. Doch wie konnte die Situation auf einmal so eskalieren?

 

Was am Freitag den 18.10.2019 mit Protesten gegen die Preiserhöhung für U-Bahntickets begann, hat sich Innerhalb kürzester Zeit zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen das ganze System entwickelt. Die Preiserhöhung ist nur die sichtbare Spitze eines riesigen Eisberges, der seit vielen Jahren unter der Wasseroberfläche immer weiter wächst. Die Einwohner Chiles sagen über sich selbst, sie wären endlich aufgewacht und wollen sich nun gegen all das wehren, was sich in den vergangenen Jahren trotz vieler friedlicher Proteste nicht geändert hat:

 

Schlechte und teure Bildung, ein kaum ausgebautes Gesundheitssystem, die niedrigen Renten und Löhne, soziale Ungleichheit innerhalb der Bevölkerung, Korruption, die Privatisierung von Wasser und noch vieles mehr.

 

Rund die Hälfte der Arbeitenden Bevölkerung verdient circa 500 Euro oder weniger im Monat – und das bei beinahe europäischen Preisen in den Supermärkten und bei vielen Serviceleistungen wie Strom, Wasser, Gas und Internet.

Nun versuchen die Bürger mithilfe von Brandlegung und Einbrüchen in Supermärkte auf sich aufmerksam zu mache. Der Staat reagiert darauf mithilfe von Polizei und Militär, welche die Proteste brutal niederschlagen. Es werden Ausgangssperren verhängt, Menschen dürfen ihre Häuser nicht verlassen und das Militär kontrolliert die Straßen. Das kam seit der Diktatur unter Pinochet vor 30 Jahren nicht mehr vor. Bereits 18 Menschen haben ihr Leben verloren, viele wurden durch die Feuer oder Schüsse des Militärs verletzt oder festgenommen und gefoltert. Das alles geschieht in ihrem Kampf für Freiheit, den Piñera als „Krieg gegen einen mächtigen Feind“ bezeichnet.

 

Jedoch schwingt die Stimmung um. Die Proteste der letzten Tage waren zunehmend friedlicher. „Un Chile unido jamás será vencido!“ – „ein vereintes Chile kann nicht besiegt werden!“  rufen die Demonstrierenden und fordern zum Zusammenschluss und zur Einheit auf. Bei ebendiesen friedlichen Protesten haben die Menschen Töpfe dabei, auf die sie mit Löffeln schlagen. Sie wollen anstatt mit Gewalt auf diese Art und Weise auf sich aufmerksam machen und damit zeigen, dass sich Chile keinesfalls im Krieg befindet, da die Bürger im Vergleich zum Militär nur mit Töpfen „bewaffnet“ sind. Am Dienstag verkündete Piñera schließlich, dass es Reformen geben werde, die Frage bleibt nur, wieviel davon letztendlich umgesetzt werden.

 

Die Proteste schockieren und beschäftigen uns als CVJM Bayern auch sehr, da Chile für uns ein ganz besonderes Land ist, für das wir ein großes Herz haben. Zum einen wegen der Kultur und den Menschen dort, zum anderen natürlich wegen der Partnerschaft, die wir seit 12 Jahren intensiv pflegen und im Rahmen derer wir auch jedes Jahr 6 junge Leute nach Chile aussenden, um den Menschen dort im CVJM zu dienen. Wir haben viele Anrufe und Nachrichten erhalten, in denen sich nach dem Wohlbefinden der Mädels erkundigt wurde. Danke für euer ehrliches Interesse und eure Sorge! Den Mädels geht es gut, sie sind in Sicherheit und gehen nicht zu den Demonstrationen. Außerdem haben sie viele fürsorgliche Menschen vor Ort, die für sie da sind und eine Anlaufstelle für Fragen, Ängste und Probleme darstellen. Wenn ihr euch fragt wie ihr konkret helfen könnt: #prayforChile