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Power statt Kekse

Youth Empowerment im CVJM. Ein Blick auf Partizipation, Bildung und Stärkung offenbart,
wie junge Menschen den Verein transformieren können.

 

»JoJo, es ist halb 12 Uhr nachts in Deutschland«, war der erste genervte Kommentar, der mir auf meine Frage nach dem Jahresthema zurückgeschleudert wurde. Youth Empowerment
(Befähigung junger Menschen) ist offensichtlich zu komplex, um es mal schnell in einem nächtlichen Gespräch abhaken zu können. Im Kontext globaler Herausforderungen lohnt es sich jedoch, einen genauen Blick auf das Thema zu werfen. Mit unseren Programmen im CVJM Bayern tragen wir bereits dazu bei, dass junge Menschen sprachfähiger, selbstbewusster und gestaltungsfreudiger werden. Nichtsdestotrotz will ich in diesem Artikel bewusst auf das blicken, was wir noch von anderen lernen können. Doch erstmal von vorne: Was war Youth Empowerment nochmal genau?

 

CVJM Magazin 02 24

 

Partizipation

Ein unbestreitbar wichtiger Aspekt von Youth Empowerment ist die Partizipation von jungen Menschen in Entscheidungsprozessen. Lasst uns doch mal in diesem Kontext einen Blick auf unseren Partner-CVJM in Brasilien, dem ACM/YMCA São Paulo, werfen. Ein fester Bestandteil des jährlichen Treffens aller jungen Mitarbeitenden (EPALI) ist die Verhandlung über die Carta. Junge Menschen von 12 bis 30 Jahren sitzen gemeinsam in einem Raum und beschließen in einem sehr basisdemokratischen Prozess ein Dokument mit Empfehlungen für die Zukunft des ACM/YMCA São Paulo, das dann an den Vorstand und die Generalsekretärin weitergegeben wird. Die Tatsache, dass Teenager sich aktiv an Diskussionen über z. B. zukünftige Programme und finanzielle Angelegenheiten beteiligen, ist nicht zuletzt dem geschuldet, dass es zur Kultur in den einzelnen YMCAs gehört, dass Jugendliche Verantwortung übernehmen. Beispielsweise hat jeder Jugendmitarbeitenden-kreis einen eigenen kleinen Vorstand, der für die Koordination der Aktivitäten zuständig ist, begleitet von einer hauptamtlichen Person. Das gibt uns schon mal einen Hinweis auf die Partizipationsfrage im CVJM Bayern: Was muss passieren, damit gerade die Jüngsten den CVJM mitgestalten und Verantwortung übernehmen? Der YMCA São Paulo macht es uns vor, dass zu wirklicher Jugendbeteiligung eine ganze Struktur der Partizipation nötig ist. Reine Teilhabe an Entscheidungen reicht also nicht aus!

 

Bildung

Eine Organisation, die Kinder- und Jugendbeteiligung in Entscheidungsprozessen bereits ab einem jungen Alter umsetzt, ist der Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP), mit dem auch der CVJM im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej) zusammenarbeitet. Der VCP schafft es durch seinen Grundsatz »Pfadfinden heißt Learning by Doing«, dass Stammesleitungen (vergleichbar zu einer Leitung im Ortsverband) zum Teil durch 17- oder 18-Jährige besetzt sind und dass ein Großteil der Leitungsgremien auf Landes- und Bundesebene mit unter 30-Jährigen besetzt werden. Trauen wir unseren jungen Menschen eigentlich Leitungsverantwortung auf Landesebene zu? Beim VCP gibt es, um genau dies zu ermöglichen, entsprechende Support-Strukturen. Zu diesen gehören zum Beispiel Mentoringprogramme für neue Leitende sowie Beratungskreise, die aus erfahrenen ehemaligen Leitungen zusammengesetzt sind und als Rückfallebene ihre Dienste anbieten. Im Fall von Unsicherheiten oder unvorhergesehenen
Umständen können junge Menschen in Leitungspositionen somit immer noch Erfahrenere um Rat fragen. Auch im CVJM kennen wir solche Arten der Zusammenarbeit, die Formalisierung derselben ist jedoch in diesem Fall die Neuerung. Zusammenfassend ist zu sagen, dass Bildung und Wissensweitergabe auf jeden Fall essenzielle Bestandteile von Youth
Empowerment sind.


Stärkung

Wenn wir Partizipation und Bildung ernst nehmen, heißt das schon mal, dass junge Menschen im CVJM mündig sind, qualifizierte Entscheidungen zu treffen, und ihre Stimme einbringen können. Daraus folgt noch nicht direkt, dass sie auch wirklich etwas verändern können. In dem abendlichen Gespräch, von dem ich am Anfang gesprochen habe, wurde das
folgendermaßen auf den Punkt gebracht:

 

»Wenn junge Menschen durch Empowerment endlich mal bisschen Power bekommen würden, anstatt nur Kekse, wäre Youth Empowerment irgendwie besser. Aber es nimmt halt niemand so richtig ernst, hab ich das Gefühl.«

 

Aus Youth Empowerment folgt automatisch, dass es immer wieder Prozesse geben wird, in denen Verantwortliche Macht abgeben müssen. Dabei ist es eine Kunst, sich langsam rauszuziehen und das eigene Wissen schrittweise weiterzugeben, wie zum Beispiel in oben genannten Mentoringprogrammen. Gleichzeitig ist es auch immer ein Risiko: Junge Menschen zu empowern kann auch heißen, sich mit unangenehmen Meinungen und neuen Ideen konfrontiert zu sehen und der Impuls ist groß, nach dem Motto »Das haben wir schon immer so gemacht!« oder »Jetzt muss es aber auch mal reichen!« ein ungeschriebenes Gesetz der Seniorität herrschen zu lassen. Uns muss dabei bewusst sein, dass Youth Empowerment eben auch heißt, junge Menschen auf Augenhöhe ernst zu nehmen und dass dadurch neue Wege eingeschlagen werden können, eben unter Umständen anders als es bisher gemacht wurde. Sind wir bereit, dass junge Menschen den CVJM auf den Kopf stellen, wenn man ihnen Power und nicht nur Kekse gibt? Wenn wir diese Frage bejahen können, tragen wir dazu bei, dass junge Menschen Selbstwirksamkeitserfahrungen im CVJM machen und dadurch gestärkt werden.

 

CVJM Magazin 02 24

 

Überrascht werden

Was muss passieren, damit die Jüngsten mitgestalten können, trauen wir ihnen Leitungsverantwortung zu und sind wir bereit, dass sie den CVJM auf den Kopf stellen? Partizipation, Bildung und Stärkung sind für mich die drei Eckpunkte von effektivem Youth Empowerment im CVJM. Wenn wir junge Menschen dazu befähigen, in unseren Vereinen
Verantwortung zu übernehmen, können wir uns darauf einstellen, dass sie uns überraschen werden. Jesus hat es uns vorgemacht: Mit 12 Jahren ist er nach dem Passahfest in Jerusalem geblieben und wurde von seinen Eltern im Tempel sitzend wiedergefunden. »Und alle, die ihm zuhörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten« (Lukas 2, 47 BasisBibel). Selbst die Lehrenden waren überrascht von dem jungen Jesus, der hier eindeutig etwas zu sagen hat. Etwas, was radikale Veränderungen in der damaligen Welt mit sich gebracht hat und uns bis heute beeinflusst.

Eine Aufgabe für den CVJM Bayern ist deshalb, dass wir uns öfter von jungen Menschen überraschen lassen und ihnen genau dafür den Raum, die Werkzeuge und den nötigen Support geben. Gleichzeitig muss uns bewusst werden, dass echtes Youth Empowerment mit neuen Ideen und Veränderungen einhergeht und dass es regelmäßig neue Generationen geben wird, die es anders machen wollen und anders machen werden. Mit der Befähigung junger Menschen ist der CVJM ein Ort, an dem Macht an jüngere Menschen abgegeben wird. Ganz nach dem etwas abgeänderten Jahresthema: CVJM – Macht (wird) jünger

 

Johannes Röder,

Ehrenamtlicher im CVJM Bayern

aus dem CVJM Magazin 02 24